Montag, 29. April 2024 6:38
Von links: Peter Gaffert, Dr. Klaus Zeh und Dr. Oliver Junk.

Ein Jahr nach der Frühstücksutopie – Zwischenstand als Zwischenruf von Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk

– „Die Zeit ist reif, reif für mehr Selbstbewusstsein!“ –

Vor exakt einem Jahr habe ich mich zu der Fusionsdebatte in Südniedersachsen mit einem Zwischenruf geäußert und zu länderübergreifender Kooperation, zur Harzfusion, aufgerufen.
Zeit für eine erste Zwischenbilanz.

Laut und kontrovers wurden seinerzeit die Ideen zu Gebietsreformen in Süd-Ost-Niedersachsen entwickelt und diskutiert. Ich erinnere hierbei z. B. an die Gedanken des damaligen Oberbürgermeisters von Braunschweig, Gert Hoffmann und seines Kollegen Frank Klingebiel aus Salzgitter. Diese Ideen hätten einen allein zurückbleibenden Landkreis Goslar zum Ergebnis gehabt oder die Neuordnung einer ganzen Region, mit zufälligen Ergebnissen und damit zwangsläufig Fusionsverlierern.

Win-Win ist etwas anderes! Passiert ist – zum Glück oder zum Schaden unserer Region – bis heute nichts, oder doch? Ja, eine Enquete-Kommission bildete der Landtag in Hannover mit dem Thema „Fusionen“. Damit verliert die Region leider weitere wichtige fünf Jahre, denn mit der Bildung der Enquete-Kommission ist festgelegt: Der Start eines Diskurses wird hinter die nächste Landtagswahl verschoben.

Und was wurde aus meiner „Utopie zum Frühstück“ – so hatte ich es damals genannt?
Es wurde seinerzeit viel geschrieben und kritisiert. Es war von „Separatismus im Harz“ die Rede, davon, dass die „Diskussion wenig hilfreich“ sei. Das wird heute, nach einem Jahr, anders gesehen. Und zwar nicht nur von den Motoren. Das waren – mit Goslar – die Oberbürgermeisterkollegen Peter Gaffert aus Wernigerode und Dr. Klaus Zeh aus Nordhausen.

Wir sind einig: Die besonderen Herausforderungen im Harz stemmen wir miteinander besser, schneller und effektiver. Und im 25. Jahr nach der Wiedervereinigung ist jetzt die Zeit reif. Wir müssen kräftig und selbstbewusst die Kraft des Harzes postulieren, um nicht weiter von unseren Ländern als problematische Randlage wahrgenommen zu werden. Also, wo stehen wir – exakt ein Jahr nach meinem Zwischenruf? Harzweit sind wir ins Gespräch gekommen, haben uns kennen und schätzen gelernt. Und haben festgehalten, dass wir mehr Kooperationen und in jedem Fall auch Strukturen benötigen. Wir brauchen sicher mehr als das funktionierende Miteinander im länderübergreifenden Tourismusthema. Der Harz ist weit mehr als Tourismus, auch darin besteht Einigkeit.

Kontrovers wurde auch über unser gemeinsames Dach, den institutionellen Rahmen debattiert. Gut so, schließlich waren wir schnell darüber einig, dass wir deutlich mehr wollen als eine regelmäßige Frühstücksrunde von Bürgermeistern. Und wir bleiben einig, dass unsere Kooperationen nur dann verstetigt und intensiviert werden können, wenn sie unabhängig von Personen und Parteibüchern organisiert werden. Da war z. B. der Zweckverband, den ich mir gut vorstellen konnte und weiterhin vorstellen kann. Aber da waren auch die Fragen, die Kritik an der Zweckverbandsidee.

So z. B.: Welche Inhalte sollen dort abgebildet werden? Was wollen die Kommunen an Aufgabenportfolio abgeben? Sind wir damit flexibel genug bei den Themen, die wir miteinander erörtern wollen?

Wir werden das in diesem Jahr weiterentwickeln mit einem klaren Ziel: Die Rechtsform darf nicht hindern, möglichst viele Kommunen, Verbände und Interessierte unter unser
„EIN HARZ“-Dach zu bringen.

Bürgermeisterkollegen, Landräte und Multiplikatoren aus Wirtschaft und Wirtschaftsverbänden haben sich der Initiative angeschlossen. Nach meiner Einladung zum Auftakt in Hahnenklee am 27. März des vergangenen Jahres folgte eine Begegnung in Nordhausen im Juni. Unsere damalige Gastgeberin, Landrätin Birgit Keller, ist inzwischen Ministerin für Infrastruktur in Thüringen und hat zugesagt, unser „EIN HARZ“-Projekt über ihr neues Amt weiter positiv zu begleiten. Und sie hat den Ministerpräsidenten des Landes Thüringen, Bodo Ramelow, zur Unterstützung unserer Initiative motiviert.

Im September 2014 trafen sich nahezu 30 Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Wirtschaftsvertreter aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen in Wernigerode.
Alle fünf Harz-Landkreise waren dabei vertreten und man konnte spüren, welche Kraft diese Region entfalten kann, wenn sie zusammensteht. Bereits für Ende Februar ist das nächste Treffen in Sangerhausen geplant.

Dazwischen haben wir in verschiedenen Arbeitsgruppen zu den Themenbereichen Wirtschaft, Image, Verkehrsinfrastruktur, Bildung und rechtliche Rahmenbedingungen einer „EIN HARZ“-Kooperation gemeinsame Ziele definiert und Gedanken ausgetauscht.
Da sind z. B. unsere Hochschulen in Nordhausen und Wernigerode sowie die TU in Clausthal, die sich noch viel stärker vernetzen können. Und wir haben das Ziel eines vierspurigen Straßenrings um den Harz definiert. Konkret fehlen zu einem Lückenschluss nicht hunderte Kilometer, es sind auf allen Seiten der Landesgrenzen jeweils nur wenige Kilometer, die unsere Region einen weiteren großen Schritt voranbringen würden.
Dieser Ring beinhaltet u. a. die dringende und schnelle Fortsetzung des Ausbaus der B 243n als Umgehungsstraße, die verkehrstechnische Vollendung des vierspurigen Ausbaues der
B 6 zwischen Goslar und Salzgitter, die Fortsetzung der A 71 als Lückenschluss zwischen der A 38 und der B 6n sowie der B 82 zur Autobahnauffahrt der A 7 in Rhüden.

Auch die regionale Wirtschaft ist an Bord und wird sich an einer stärkeren Vernetzung beteiligen. An diesem Montag wurde in Clausthal-Zellerfeld der Startschuss für harzweite, länderübergreifende Wirtschaftsgespräche gegeben. Wirtschaft und Politik waren einig: Die Zeit ist reif, reif für mehr Selbstbewusstsein, mehr Kooperation im Harz.

Meine Initiative hat Menschen zusammengebracht, natürlich auch polarisiert, in jedem Fall aber die Akteure motiviert neu nachzudenken über den Harz, über unsere Strukturen und Möglichkeiten der Verbesserung von Austausch und Kooperation.