Samstag, 4. Mai 2024 13:10
Heimatmuseumsverein
(von li.) Michael Deike, Herbert Müller, Hans-Joachim Bienert, Martin Mahnkopf und Eckhard Wagner

Lesung beim Heimatmuseumsverein im Weißen Roß

Der Heimatmuseumsverein Vienenburg hatte genau 30 Jahre nach der damaligen Grenzöffnung bei Lüttgenrode zur Lesung in das Weiße Roß eingeladen – Erinnerungen gegen das Vergessen

Der 1. Vorsitzende Hans-Joachim Bienert konnte Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk, Andreas Weihe vom Heimatverein Abbenrode und die Zuhörer begrüßen. Darunter waren zwei interessierte Gäste aus Veckenstedt und Bockenem, bedauerlicherweise war kein Einwohner aus Lüttgenrode dabei.
Es wurde bewusst das Gasthaus auf der Straße von Osterwieck nach Vienenburg gewählt, nur ein paar hundert Meter entfernt von der damaligen deutsch-deutschen Grenze. Hier brannte jede Nacht das Licht, um den Grenzgängern einen Anhaltspunkt zu geben. Am Abend des 8. Dezember 1989 durchschnitten Bewohner aus den umliegenden Orten in der DDR den Sperrzaun und gingen in der Dunkelheit zu Fuß in Richtung Weißes Roß und Vienenburg. Es wurde kräftig im Weißen Roß mit Bürgern von Ost und West gefeiert. Auch die Freiwillige Feuerwehr Lochtum hatte damals gerade Dienstabend und kam in das Weiße Roß.

Spaltung Deutschlands

Nur zwei Zeitzeugen von damals waren anwesend: Otto Deike und Karl Prenzler. Die Lesung teilten sich fünf Personen, Hans-Joachim Bienert (1. Vorsitzender), Martin Mahnkopf (Ortsvorsteher), Eckhard Wagner (Ratsvorsitzender), Michael Deike (Ratsmitglied) und Herbert Müller (Ortsheimatpfleger). Die Schlagzeilen stammen größtenteils aus Zeitungsartikeln von 1944 bis 1989. Am 12. September 1944 wurde die Demarkationslinie zwischen den künftigen Besatzungszonen der Westmächte und der Sowjetzone im Londoner Protokoll festgelegt. Die Grenze zur Sowjetzone (Ostzone) trennten 17 Millionen deutsche in Mitteldeutschland gegen den Willen von 56 Millionen Deutschen in der Bundesrepublik.

Schwarzmarkt blühte

Die Spaltung Deutschlands wirkte sich wiederum für Vienenburg schlecht aus, Handwerk, Industrie, Handel und Gewerbe fehlten die Absatzgebiete nach Mittel- und Ostdeutschland. Die schlechten Lebensbedingungen ließen den Schwarzmarkt blühen. Butter war 1950 sehr gefragt, in den HO-Läden kostete das Pfund 35 Ostmark. Ein Landwirt wurde im August 1950 bei der Besichtigung der Felder von einem russischen Wachposten ergriffen und verschleppt erst einige Tage später kehrte er zurück. Eine Niemandsland-Schule wurde 1951 für 27 Kinder in Wennerode eröffnet, aber 1959 wegen geringer Kinderzahl wieder geschlossen. Im Jahr 1953 flüchteten Einwohner über die Grenze in den Westen um sich der Einziehung zur Volkspolizei zu entziehen. Auch zwei Volkspolizisten sind von Abbenrode nach Lochtum geflüchtet. Im November 1964 wurde die kleine Poststelle am Weißen Roß geschlossen. Ein 22 jähriger Planierraupenfahrer flüchtete in wenigen Sekunden bei Wiedelah bei Anwesenheit einer Streife des Bundesgrenzschutzes. Der Grenzverlauf im Raum Vienenburg wurde am 1. August 1975 neu festgelegt. Immer wieder kamen DDR-Grenzer vor den Grenzzaun und schossen Wild aus dem fahrenden Jeep heraus. Im Wenneröder Zipfel sorgten Strohballen für Aufregung, diese hat der Sturm gen Osten getrieben. Ein Grenzübersichtspunkt mit Plattform wurde 1984 bei Lochtum eingeweiht.

Nur noch Erinnerungen

Heute drei Jahrzehnte später erinnert kaum noch etwas an die Grenzbefestigung, dem Todesstreifen, Selbstschussanlagen, Mienen, Bunker und Wachtürme. Es gab auch noch zwei Kurzgeschichten zu hören Arrest im Rathaus statt Weltfestspiele sowie Weihnachtskäufer aus dem Niemandsland. Anschließend wurde noch über die damalige Grenzöffnung und Erlebnisse erzählt. Wie vor 30 Jahren gab es Kaffee und Kuchen. Am Abend gingen alle Besucher wieder durch den geöffneten Grenzzaun zurück. Erst am 20. Dezember 1989 wurde der Grenzübergang Vienenburg nach Lüttgenrode eröffnet.

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