Donnerstag, 16. Mai 2024 1:14
B. Mikhailov © Nobuyoshi Araki.

„Einer der wichtigsten Chronisten der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft“ Der Goslarer Kaiserring 2015 geht an den ukrainischen Künstler und Fotografen Boris Mikhailov

GOSLAR. Boris Mikhailov erhält den Goslarer Kaiserring des Jahres 2015, einen der renommiertesten Kunstpreise der Gegenwart. Das gab Goslars Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk heute beim traditionellen Neujahrsempfang in der Goslarer Kaiserpfalz bekannt. Der 76-jährige ukrainische Fotograf, der in Berlin und Charkow/Ukraine lebt, gilt heute international als einer der angesehensten Vertreter zeitgenössischer Fotografie. Boris Mikhailov wird den Kaiserring am 10. Oktober 2015 in Goslar entgegen nehmen.

In ihrer Begründung beschreibt die Kaiserring-Jury Boris Mikhailov als einen der zweifellos „wichtigsten Chronisten der sowjetischen und postsowjetischen Gesellschaft. International bekannt geworden ist der 1938 in der Ukraine geborene Fotograf durch seine aufwühlenden Bilder von Obdachlosen in seinem Geburtsort Charkow. Ausgebildet als Ingenieur beginnt Boris Mikhailov in den 1960er Jahren sich in seiner Freizeit mit der Fotografie zu beschäftigen, erprobt ihre technischen Möglichkeiten und experimentiert auf vielfältige Weise mit dem Bildmaterial, das er zu ungewöhnlichen und neuen Darstellungsformen führt: Bildüberlagerungen, Kolorierungen, Verfremdungen, humorvoll kritische Text- und Bild-Kombinationen aus eigenem und gefundenen Material dienen ihm dazu, den Alltag und die repressive Situation in der damaligen Sowjetunion zu dokumentieren und zu kommentieren. Vordergründig bedient er eine regimegetreue Ästhetik, gleichzeitig wird sie subversiv unterlaufen und ironisch gebrochen.“

Boris Mikhailov
Boris Mikhailov lebt und arbeitet in Charkow und Berlin. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Boris Mikhailov als Ingenieur in einer Fabrik für Raketenbau. Unzufrieden mit dieser Arbeit voller „Langeweile und Routine“ entschied er sich, einen Film über die Geschichte der Fabrik zu drehen, in der zuvor heimatlose Kinder lebten und arbeiteten. Parallel dazu begann er zu fotografieren und widmete der Fotografie fortan einen großen Teil seiner Freizeit. Er interessierte sich insbesondere für den normalen Bürger und sein Leben. Nach Schwierigkeiten mit dem KGB und dem Verlust seiner Arbeit standen vermehrt soziale- und regimekritische Themen im Focus seiner Fotografien. In einer seiner wichtigsten Fotoserien beschäftigt sich Mikhailov mit sozialen Problematiken und beschreibt anhand konkreter Beispiele den Zustand und die Veränderung der Gesellschaft durch die Auflösung der UdSSR. Ende der 80er Jahre begann er im Westen auszustellen und erfreute sich schnell großer Anerkennung in der internationalen Kunstgemeinde.
Mikhailov erhielt bis heute zahlreiche internationale Fotografiepreise. Daneben hatte er Einzelausstellungen in den wichtigsten Kunstinstitutionen Europas und der Vereinigten Staaten. Seine Arbeiten sind zu finden in den Sammlungen des Metropolitan Museums und des Museum of Modern Art in New York, der Tate Modern und des Victoria and Albert Museum in London, des Stedeljik Museum in Amsterdam sowie im Centre Georges Pompidou in Paris, im Fotomuseum Winterthur, im Kunstmuseum Basel, in der Berlinischen Galerie, im Sprengel Museum in Hannover, in der Münchener Pinakothek, im Museum Ludwig in Köln und in der Albertina in Wien.

Einzelaustellungen (Auswahl)

2013 UNRESPECTABLE. Retrospective, Kharkov City Art Gallery, Kharkov, Ukraine

2012 Boris Mikhailov Time is out of joint. Fotografien 1966–2003, Berlinische Galerie, Berlin

2011 Boris Mikhailov: Case History, Museum of Modern Art (MOMA), New York
Boris Mikhailov. Black Archive 1968–1979. Tea Coffee Cappuccino 2000–2010, Galerie Barbara Weiss, Berlin

2007 Boris Mikhailov. Look at me I look at Water, Sprengel Museum Hannover, Hannover

2004 Institute of Contemporary Art, Boston

1999 By the Ground, Museum of Modern Art, Ljubliana
Boris Mikhailov, Centre National de la Photographie, Paris

1998 Boris Mikhailov, Stedelijk Museum, Amsterdam
Boris Mikhailov: Les Misérables (About the World), Sprengel Museum, Hannover

1996 Boris Mikhailov, Kunsthalle Zürich

1995
Boris Mikhailov, Portikus, Frankfurt am Main
After the Fall, The Institute of Contemporary Art, Philadelphia

Gruppenausstellungen (Auswahl)

2014 Manifesta 10, Hermitage Museum, St. Petersburg, Russland
Unbeugsam und ungebändigt: Dokumentarische Fotografie um 1979, Museum Ludwig, Köln

2012 Shanghai Biennale
Photography: New Documentary Forms, Tate Modern, London
Photography Calling!, Sprengel Museum Hannover, Hannover
The World belongs you, François Pinault Foundation, Palazzo Grassi, Venedig

2011 Ostalgia, New Museum, New York
8. Mercosul Bienniale, Brasilien
Breaking News, Fukushima and the consequences, KW Institute for Contemporary Art, Berlin

2007 52. Biennale Venedig, Pavillon der Ukraine

2006 Der Kontrakt des Fotografen, Akademie der Künste, Berlin
Twilight – Photography in the Magic Hour, Victoria and Albert Museum, London
Berlin-Tokyo/Tokyo-Berlin. Die Kunst zweier Städte, Neue Nationalgalerie, Berlin

2003 Cruel + Tender, The Real in the Twentieth-Century Photograph, Tate Modern, London
Berlin-Moskau, Martin-Gropius-Bau, Berlin
Traumfabrik Kommunismus, Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main

2001 From the 60 until now…, Museum of Modern Art, New York

2000 12th Biennale of Sydney, Sydney

Kaiserring Goslar
Der Goslarer Kaiserring ist einer der weltweit renommiertesten Preise für moderne Kunst. Er wird seit 1975 verliehen. Die ersten Preisträger waren Henry Moore, Max Ernst und Alexander Calder. Ihnen folgten Pioniere der Gegenwartskunst wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Nam June Paik, Christo, Cindy Sherman oder Jenny Holzer. Vor Boris Mikhailov erhielten in den letzten Jahren unter anderem Matthew Barney, Andreas Gursky, Bridget Riley, David Lynch, Olafur Eliasson und Wiebke Siem den Preis.

Kontakt:
Weitere Informationen sowie Bildmaterial finden Sie auf den Internetseiten des Mönchehaus Museums (www.moenchehaus.de) und der Stadt Goslar (www.goslar.de). Für Rückfragen steht Ihnen die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Goslar unter Telefon 05321 704-226 zur Verfügung. Auskunft erteilt auch die Direktorin des Mönchehaus Museums, Dr. Bettina Ruhrberg, Telefon 05321-4948, ruhrberg@moenchehaus.de