Freitag, 17. Mai 2024 14:24
Die erste Generation, von links: Anni und Friedrich Schlüter, Gerda und Erhard Münderlein, Wilhelm und Lieselotte Fulst, vorne Erika Zein, hinten Gastgeber Helmut Zein. Foto: Hohaus

50 Jahre Siedlungsgeschichte

Wennerode. Auf der Hofstelle Zein, gelegen an der L 510 zwischen der Gaststätte „Weißen Roß“ und Wennerode, nicht weit bis zur Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt, wurde das 50-jährige Jubiläum der Aussiedlerhöfe gefeiert.

Gastgeber Helmut Zein hielt eine Laudatio, in der er den 200 Gästen die Entstehung der Hofstellen erläuterte. Im Rahmen des Landeskulturvorhabens Nordharz gab es die drei Siedlungsverfahren Nordharz eins bis drei in den Jahren 1963 bis 1968. Ähnliche Verfahren gab es schon in den 50er Jahren in Astfeld und auch in den 60ern im Raum Stauffenburg/Northeim. Das Verfahren wurde von der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft (BSG) begonnen und später von der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG) weitergeführt.

Das Flurbereinigungsverfahren umfasste die Orte Vienenburg, Wiedelah, Lengde und Lochtum mit einer Fläche von etwa 5000 ha. Durch Ankauf der Domänen Vienenburg und Wiedelah sowie des Klostergutes Lochtum gab das Land Niedersachsen etwa 1500 ha in das Verfahren ein. Auf der anderen Seite wirtschafteten die staatlichen Domänen weniger produktiv als die kleineren Familienbetriebe. Zudem lag das Potenzial vieler aus dem deutschen Osten Vertriebener oder geflüchteter Bauern brach. Welche Gründe die entscheidenden waren, wissen wahrscheinlich nur diejenigen, die sie damals getroffen haben. Im entscheidenden Maß waren die Entscheidungen dem damaligen Landwirtschaftsminister und späteren Ministerpräsidenten Alfred Kubel in einer SPD-geführten Landesregierung in Niedersachsen zu verdanken. Da die Domänenpächter ähnlich der Gutsbesitzer auf billig gepachteten Flächen des Landes herrschten, kam ihnen das Verfahren wie eine Enteignung vor. Dazu kam, dass die Domänenpächter in Lochtum und Vienenburg keine Nachfolger in der Familie hatten. Der Wiedelaher Pächter Heine sowie der damalige Domänenverwalter Zeiser erhielten die Restgüter mit größerer Flächenausstattung als Siedlung. Das Verfahren im Einzelnen: Nordharz l umfasste 17 Siedlerstellen sowie zwei Restgüter, Nordharz II umfasste vier Siedlerstellen, Nordharz III umfasste fünf Siedlerstellen. Diese insgesamt 28 Siedlerstellen wurden an 15 einheimische Aussiedler, neun Heimatvertriebene und vier Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone vergeben. Von den 1500 ha wurden etwa 500 ha zur Aufstockung entwicklungsfähiger, heimischer Betriebe verwendet, etwa 900 ha dienten der Ausstattung der 28 Vollerwerbsstellen. Die durchschnittliche Betriebsgröße betrug 28,39 ha.

Im Oktober 1963 wurde bei Anwesenheit des Niedersächsischen Landwirtschaftsminister Alfred Kubel sowie dem damaligen Bauernpräsidenten Edmund Rehwinkel durch Familie Karl Prenzler die erste Siedlerstelle Nr. 11 bezogen. Am 5. November folgte Familie Franz Hohaus in der Alten Heerstraße 1. Erst im Frühjahr 1964 wurden weitere Höfe bezogen. Viel Prominenz kam in den ersten Jahren auf die Höfe zu Gast, so der damalige Bundes-Landwirtschaftsminister Hermann Höcherl (CSU). Das Verfahren in sich war Segen und Chance für die beteiligten Betriebe. Fast die gesamten Flächen um seinen Hof zu haben war und ist auch heute noch höchst produktiv. Auf zwölf Höfen lebt noch heute die erste Generation. Von diesen waren Gerda und Erhard Münderlein, Lieselotte und Wilhelm Fulst, Erika Zein sowie Anni und Friedrich Schlüter anwesend. In anderen Fällen wirtschaftet heute, wie bei der Familie Zein, schon die dritte Generation. Wie werden die Höfe heute bewirtschaftet: 12 Höfe werden noch im Haupterwerb bewirtschaftet, fünf Höfe im Nebenerwerb, vier Höfe werden durch Heirat von einer anderen Betriebsstätte bewirtschaftet, fünf Höfe sind verpachtet und Wohnstätte hoher Wohnkultur, ein Hof wurde verkauft, ein Hof wurde in das Verfahren zurückgegeben.

Was hat es für viele Betriebe gebracht: Heimat, wieder ein zu Hause, Bauer sein dürfen auf eigener Scholle, neue Wohnkultur und Lebensqualität. Vor allem, betrachtet man die Gebäude, aus denen man gekommen war. Weiterhin: generationsübergreifendes Leben, sichere Existenz mit Perspektiven, Entwicklungsmöglichkeit, bescheidener Wohlstand und Erfolg. Wer meint, die Betriebe seien zu klein, müsste im gleichen Atemzug bereit sein zu verzichten, denn dann wäre nicht für 28 Familien Platz gewesen. Die Entstehung der Betriebe ist, wie aus meinen Darstellungen ersichtlich, in erheblichem Maße mit Steuergeldern gefördert. Helmut Zeins persönliches Fazit: Ein Erfolg auf der ganzen Linie für alle Beteiligten und für unsere Gesellschaft. Bei der Jubiläumsfeier konnte auch eine Hofübergabe gefeiert werden: Nachdem Alois Zein von 1964 bis 1989 genau 25 Jahre gewirtschaftet hatte, ging für Helmut Zein in diesem Jahr eine 25-jährige Bewirtschaftungszeit zu Ende. Nun bewirtschaftet sein Sohn Karsten mit seiner Ehefrau Wiebke den Betrieb in der dritten Generation weiter.