Freitag, 29. März 2024 3:20
Stay alive Bleibt am Leben

Präventionstag Stay alive – wie es bei den Schülern ankam

Stay alive – Bleibt am Leben! Ein Tag, der zum Nachdenken anregen sollte … was er auch tat.

Über 100 Schüler kamen morgens in lockerer Stimmung, manche ein wenig genervt: “Dass wir auf´m vorletzten Schultag da noch hin müssen”.

Vortagstimmung im Konferenzraum, gelangweilte Blicke auf´s Handy, Freundinnen tuscheln und kichern leise. Kurzes Aufhorchen und Schmunzeln, als ein Polizist mahnt: “Wir wollen nicht den Finger heben und Du-Du machen. Wir wollen Euch etwas zeigen und Euch nachdenklich machen.” Ein Lachen und Raunen geht durch den Raum, als Intensivschwester Marion Kruse das Eintreffen betrunkener, junger Menschen beschreibt: “Und wenn Ihr dann bei mir ankommt, vollgekotzt und vollgepisst …, – ja entschuldigt mein Vokabular, aber ich erzähl das hier für Euch und nicht für die Erwachsenen!” Und in diesem Wortlaut macht sie munter weiter und hat schnell die Aufmerksamkeit der Mehrheit für sich gewonnen. “Und am nächsten Morgen seid ihr nüchtern und keine Patienten mehr. Eure Eltern kommen Euch dann abholen und wenn die dann keine frische Wäsche dabei haben, tja – Shit Happens!”
Die Jugendlichen schmunzeln, lachen.

Ein kurzer Film wird eingespielt, Schockmoment.

Ein Unfallhergang, der von einer Schulklasse in England originalgetreu nachgestellt wurde.
Die jungen Mädchen beißen sich auf die Lippen, atmen schneller, als sie das Kleinkind weinen sehen.
Nun ist die Aufmerksamkeit wirklich aller Schüler voll da. Erleichtertes Aufatmen geht durch den Raum, als der kurze Film zu Ende ist.
Der Gesichtsausdruck der Schülerinnen und Schüler hat sich gravierend geändert.

Eine kleine Pause und es geht auf den Parkplatz,wo eine Unfallstelle nachgestellt wurde.

“Ihr lacht? Dann machst nun erste Hilfe!” Schnell sind drei Jugendliche ausgesucht. Ein Notruf wird abgesetzt, die Drei ziehen kräftig an den Türen, klettern auf das Dach des Autos und versuchen zu den Verletzen Kontakt aufzunehmen. Endlich kommt der Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn, die Feuerwehr rückt mit schwerem Gerät an und schneidet sich nach und nach zu den Personen im Auto durch. Es kracht und knallt, Scheiben zersplittern. Die Ersthelfer kümmern sich um die Leichtverletzen und legen Verbände an.

“Das hat ja ewig gedauert,” erzählt Zoe Lange mit einem leichten Lächeln. “Ich bin so froh, dass diese Situation endlich aufgelöst wurde.” Sie selbst hat noch keinen Erste Hilfe Kurs. Johanna Trushaller hat diesen zwar schon hinter sich, war damit aber im ersten Moment trotzdem überfordert: “Aber dann stellte sich so ein Automatismus ein und dann hat´s ja doch ganz gut geklappt. Es stimmt wirklich, jeder kann helfen.”
Amelie Kohlmann, Nichte eines aktiven Feuerwehmanns lächelt: “Ich war ja schon oft bei so einem nachgestellten Unfall dabei, aber in die Leichenhalle geh ich nachher nicht mit. Nee da fall ich um!”

Wieder zurück im Konferenzraum wird aufgeteilt, jeder Schüler hatte beim Eintreffen eine Nummer bekommen und nun wurden sie bunt durcheinander gewürfelt.

In kleinen Gruppen ging es von Station zu Station.

Der Kunstblut verschmierte Rettungswagen wird erklärt: “Wir sind die Totaustrickser, aber wir schaffen es leider nicht immer!” Alle stehen in der Sonne oder im Wagen selbst und hören aufmerksam zu. Die lockere, unbeteiligte Stimmung vom frühen Morgen ist bei vielen längst nicht mehr vorhanden.

In einem kleinen Raum im Schwesternwohnheim gibt es eine kurze Anleitung zur ersten Hilfe: “Jeder kann helfen!” wird eingeprägt. Zoe greift beherzt zum Verbandpäckchen und verbindet lachend die Stelle am Arm, auf der grade eben ein Klecks Kunstblut aufgetragen wurde.
Christoph Gust sieht ein: “Am Unfallort sofort helfen ist wohl am Wichtigsten. Und das man echt nicht unter Alkoholeinfluss fahren sollte.“

Im Schockraum liegt ein junges Mädchen.

Ihr Bauch mit Blut verschmiert und aus ihrem Schienbein ragt ein Stück Knochen. Zoe taumelt in eine Ecke, muss den Raum verlassen. Amelie steht am Türrahmen, halb auf dem Flur: “Ich kann das nicht sehen, obwohl ich weiß, dass es ja kein echtes Blut ist.” Später folgt sie Zoe, die von einer Schwester an der frischen Luft mit Wasser versorgt wird.

Die Stimmung steigt wieder etwas an, als im Konferenzraum vom Staatsanwalt die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung des gestellten Unfalls durchgegangen werden. Ein so trockenes Thema und doch machen alle mit. Niemand spielt mehr am Handy rum, es wird sogar danach gesucht, als sie zum Googeln aufgefordert werden.

Weiter geht es in den nächsten Raum: Zwei uniformierte Polizisten sitzen da, es werden Statistiken erklärt. Keiner der Schüler zappelt oder ist nicht bei der Sache.
„Komasaufen?“ das noch vor Jahren beliebte Wochenendziel Jugendlicher wird von Edanur Atar und ihrer Freundin Sina Seppelt belacht: „Nee, sowas gibt es bei uns gar nicht. Wir feiern, machen Party. Aber wenn einer zu viel trinkt, nehmen wir es ihm weg und der bekommt dann nur noch Wasser.“ Die beiden Handballerinnen lachen: „Wie gut, dass wir so schlecht sind. Da wird es auch nie eine Aufstiegsparty geben.“
Wie man einen Freund davon abhält berauscht zu fahren? “Notfalls haut dem eins inne Fresse! Wir kommen dann da hin und bedanken uns bei Euch.”

Die Verabschiedung fällt mit kurzen Worten aus: “Bleibt am Leben!”

Die letzte Station steht an – der Keller

Schon an der Treppe zögert Amelie. “Ich geh da nicht rein.” Ihr Lehrer ermuntert sie: “Die Treppe kannst du mit runter kommen.” Sie zögert, geht dann aber doch mit. Vor der Tür werden ein paar kurze Worte gesprochen. Amelie´s Entschluss wird gefestigt, sie setzt sich in den kleinen Wartebereich. Langsam geht es von den Kühlschränken weiter bis in die Pathologie. Nach zwei Sätzen, was dort gemacht wird, geht Edanur Atar aus dem Raum: “Ich muss hier raus”.
Im Abschiedsraum herrscht Stille. Der Raum wirkt allein. “Wenn Ihr hier auf dem Tisch, in Eurem Sarg liegt, mache ich mir keine Sorgen um Euch. Dann sorge ich mich um Eure Eltern und Geschwister.” sagt Herr Exner vom Krieseninterventionsteam mit ruhiger, fast andächtiger Stimme. Längst schon hat Zoe nach ihren Taschentüchern gesucht, sie weint alles aus sich heraus, bis die Gruppe weiter zieht.

Im Konferenzraum werden die Jugendlichen verabschiedet. “Es war ein toller Austausch für uns. Stay alive!”

Zoe wird noch auf dem Weg nach Hause, im Bus von ihrer besten Freundin getröstet.

Abends kann sie dann sagen: “Die Jungs waren wie immer. Ich glaube, die haben es nicht ganz so ernst genommen oder es fällt ihnen leichter, mit sowas fertig zu werden. Für meine Freundin war es auch schwer, weil grade erst ihr Opa verstorben ist. Sie hatte aber keine Probleme damit, ihre Gefühle für sich zu behalten”. Das Erlebte hat sie Abends noch nicht bei Seite geschoben.
Amelie ist am Abend wieder ganz gefasst: “Klar nehme ich was aus diesem Tag mit. Es war ja doch nicht sowas wie immer. Im Gegenteil, es waren ein paar wirklich nützliche Tipps dabei.”

Der eine zeigt es – der andere nicht.
Letztendlich hat doch nahezu jeder dieser jungen Menschen etwas von diesem psychologisch auf feinste durchgeplanten Tag mitgenommen.

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Pressebericht Stay alive